..... eine meiner übelsten Begegnungen mit der damaligen Macht.
Behütet habe ich mich immer gefühlt, aber Schiss hatte ich immer, wenn ich nach Ostberlin gefahren bin. Inzwischen hatte sich das ganze System mit der Abwicklung an den Grenzen ein wenig eingespielt, aber man hörte immer wieder von Festnahmen und unangenehmen Befragungen.
Da half auch kein forscher Blick, man wußte nie, was man zu erwarten hatte, man war immer den Grenzgängern ausgeliefert, sie hatten den Ausweis, sie hatten die Entscheidungen zur Weiterreise zu treffen.
Eine meiner Kolleginnen kam aus Hohenschönhausen, sie bat mich eines Tages, ob ich ihre Eltern in Hohenschönhausen besuchen könnte, um ihnen Weihnachtsgeschenke zu bringen. Klar, das mache ich und fuhr los. So gegen 9.00h war ich schon an der Friedrichstrasse, dort mussten alle Reisenden die S-Bahn verlassen, um kontrolliert zu werden. Ein unheimliches Gefühl, alles im Halbdunkel, überall Militär, das hat schon eingeschüchtert. Als ich dran war, die übliche Frage:"Wo wolln se denn hin?" Ich antwortete ehrlich, Eltern meiner Arbeitskollegen besuchen, um ihnen Weihnachtsgeschenke zu bringen, das war nun total daneben, denn es kam die Frage."Warum geht sie nicht selber dorthin?" Ja", wenn sie es dürfte, würde sie es gerne machen," verlegenes Schweigen der Beamtin. Die Beamtinnen am Grenzübergang waren gefürchtet, sie waren sehr streng und spielten ihre Machtposition gerne aus. Nachdem ich kurzerhand meine Tasche einfach umgestülpt hatte, alles durch die Gegend rollte, ich hatte hauptsächlich Obst dabei, wie Orangen und Trockenfrüchte und natürlich Kaffee, meinte sie:"Nu packen sie man schnell alles wieder ein." Ich hatte es geschafft, es war inzwischen 12.00h geworden und ich fuhr weiter. Gegen 14.00h war ich bei den Eltern, die sich über den unerwarteten Besuch aus dem Westen mit Nachricht von der Tochter freuten, mich herzlich aufnahmen. Es gab viele Fragen beiderseits, so um 18.00h machte ich mich dann wieder auf den Heimweg, denn bis um 24.00 h musste man die DDR verlassen haben. Die Eltern gaben mir dann für die Tochter noch Geschenke mit, selbstgebackenes Weihnachtbrötle, Pralinen aus eigener Herstellung und zwei Betttücher. Es muss so gegen 20.00h gewesen sein, als ich wieder an der Friedrichstrasse war und eine erneute Kontrolle über mich ergehen lassen musste. Alles musste ich zeigen, das Selbsgemachte war o.k. aber, die Betttücher waren das Problem.
Ich sagte ihnen, dass sie nicht für mich waren, sondern für eine Kollegin, eine völlig falsche Antwort, denn, was ich nicht wußte, ich hatte Devisenschmuggel begangen, gegen DDR Gesetze verstoßen. Mein Beteuern die DDR Gesetze nicht zu kennen, half nichts, auch die Bitte die Tücher zu behalten und mich laufen zu lassen, klappte nicht, Unwissenheit schützt vor Strafe nicht, was nun?? Ich erklärte, ich müsste doch bis um 24.00 Ostberlin verlassen, zog auch nicht, der Fall wurde dramatisch. Ich kam in ein Nebenzimmer, in dem bereits ein Mann wartete. Ich kam mit ihm ins Gespräch und er entpuppte sich als ein polnischer Arzt, der von einem Kongress wieder nach Warschau wollte, aber er hatte in seinem kleinem Köfferchen 100 Perlonstrümpfe, die er als Geschnek mitnehmen wollte, das war zuviel. Ausserdem wollte er nicht unterschreiben, dass er gegen die DDR Gestze verstossen hatte. Ich erklärte ihm, wenn er das nicht unterschreiben würde, wir wohl die Nacht hier verbringen müssten. Daraufhin klopfte er an die Tür, signalisierte seine Bereitschaft und in wenigen Minuten konnten wir weiterreisen, er ohne Strümpfe und ich ohne die Betttücher. Ein mitleidiger Beamte fragte mich, ob ich denn noch Geld für eine Fahrkarte hätte, das hatte ich natürlich nicht mehr, denn man durfte von dem Zwangsumtauschung nichts mit in den Westen nehmen, er gab mir 20 Pfennig und wir wurden wieder an die Friedrichstrasse gebracht. Ich hatte zusätzlich noch ein Schreiben dabei, das meine Verspätung entschuldigte. Weit nach Mitternacht kam ich in Wannsee an, kaum berührte ich die Klinke, standen meine Kolleginnen alle im Nachthemd parat, um mich zu empfangen, ich sollte sofort zum Chef, der hatte sich wohl die größten Sorgen gemacht, damals lag die Volljährigkeit noch bei 21 Jahren. Mit dieser aufregenden Geschichte, beende ich meine Erinerungen an die diese schlimme Zeit, dürfen wir sie vergessen?? Ich werde sie auf alle Fälle nie vergessen. Ein Gefangener, der in Falkensee im Gefängniss sass, hatte folgenden Satz an die Wand geschrieben: "Ich, Deutscher, von Deutschen gefangen, weil ich von Deutschland nach Deutschland gegangen." Besser kann man die Situation nicht beschreiben.
Übrigens, hier am Alex wurde ich für ein paar Stunden DDR Gefangene, hier war das Hauptzollamt zu der Zeit, es war ein prachtvolles Gebäude viel Stuck, viel Glanz eine gewaltige Treppe führte nach oben, dort wo die Befragung stattfand.
Mein Frauchen hat mit betroffenheit deinen persönlichen Bericht gelesen, sie kann sich das ja gar nicht vorstellen - und doch ist es so nah pasiert.
AntwortenLöschenDanke sagt fürs Teilhaben - Ayka mit Erika
Ja, wenn man es nicht selber erlebt hat, kann man es sich auch nicht vorstellen. Nun liegt das alles 60 Jahre zurück und ist fast vergessene Geschichte, darum fühlte ich mich direkt herausgefordert, es einmal aufzuschreiben.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Edith
Danke liebe Edith für diese Erzählung. Kann man sich gar nicht so richtig vorstellen, wenn man es nicht selbst erlebt hat, und die "Grenze" war für uns ja auch sehr weit weg. Und wenn ich es nicht genau wüsste, dann würde ich sagen, auf den Fotos ist die Anja...zumindest habe ich sie genauso in Erinnerung, hab sie ja schon seit Jahren nicht mehr gesehen.Liebs Grüßle aus der Nachbarschaft Elli
AntwortenLöschenLiebe Elli,
AntwortenLöschenich kann das selber nicht so beurteilen ob du "Anja" erkennst, aber möglich ist es ja schon, ist ja meine Tochter. Was die Berlingeschichten anbelangt, da gäbe es noch eine ganze Menge zu erzählen, vielleicht mal aufm Plausch am Gartenzaun?
Liebe Grüße zurück
Edith