Sonntag, 21. November 2021

Da fällt einem nicht...

 ... viel ein, bei dem Wetter, raus ,null Bock weil ewig Nebel, bunte Blätter gab es genug und die sind jetzt auch schon glitschig. Da habe ich mal geschaut, was ich denn so an Kleinkinderfotos habe, nicht viel. Wir sind ja geflüchtet und da hat man an Fotografien am allerwenigsten gedacht.


Dies ist das jüngste Bild von mir, ich dürfte da so 1-1/2 Jahre sein, keine Haare hatte ich da, nur so Flaum auf dem Kopf.

Nicht sehr viel älter bin ich hier auf dem Arm meiner richtigen Mutter, die ja, als ich drei war, bei der Geburt meines Bruders verstarb. 

Unsere ganze damalige Familie, meine Mutter hoch schwanger, ich 3 Jahre alt, nun mit Haaren, meine Schwester 10 Jahre alt und mein Vater, wie damals üblich, im Kurzurlaub in Uniform, sozusagen eine typische deutsche Familie, nur dass wir damals in Polen wohnten, das war ein Problem, wir mussten nämlich flüchten. Zuvor kam noch die Geburt meines Bruders, der Tod meiner Mutter, der Vater im Krieg, meine Schwester und ich bei unserer Tante, schon dramatisch.

Genau so sind wir auch geflüchtet, das war 1945 im März, schnell alles zusammen gesucht, einen Pferdewagen bepackt und ab in Richtung Westen. Ich habe da nicht allzuviel mitbekommen, ich hatte zu allem noch Fieber. Ein Jahr dauerte unsere Flucht mit einigen Zwischenstopps, bis wir im Norden der Republik gelandet sind. Als ich dann wieder gesund war, fand ich das " Zigeunerleben" garnicht so schlecht, es waren immer reichlich Kinder zum Spielen da, immer neue Gesichter, immer neue Spiele. Über Essen und Trinken musste ich mir keinen Kopf machen. Von den vielen Strapazen in den einzelnen Auffanglagern habe ich nicht viel mitbekommen, sogar an Weihnachten gab es für alle Kinder einen Baukasten mit echten Steinen, so ein Luxus. Ein paar Äpfel gab es auch noch dazu, sozusagen eine Sonderration.

 

Nachdem wir dann sesshaft geworden waren, kam ich auch in die Schule, da sah ich dann so aus, Tolle aufm Kopp, Rattenschwänzchen, denn mehr gaben meine Haare nicht her, dafür umso größere Schlaufen in den Zöpfchen. Schaut euch mal das Kleid an, aus vielen " Stoffresten etwas Schönes schaffen" hiess die Devise, ich fand mich jedenfalls ganz schick darin. Wenn man aus der Schule kam, zog man sich um, das war doch klar. Zum Rumtollen gab es andere Klamotten und am Sonntag auch. Dank meines Optimismusses habe ich diese Zeit gut verarbeitet, ich hatte mich stets bemüht, dazuzugehören, gut in der Schule zu sein, möglichst nicht aufzufallen und sich einbringen mit dem, was ich an Wissen und Erlebtem den anderen voraus hatte. Offen und ehrlich zu sein und stets fröhlich, diese Fröhlichkeit ist mir in die Wiege gelegt worden, dafür bin ich sehr dankbar, das hilft immer noch im Alter.

Tja, und nun bin ich 80 Jahre und kann immer noch lachen hoffentlich noch recht lange.






7 Kommentare:

  1. Guten Abend liebe Edith
    Vielen Dank für deinen Kurzbericht. Da hätte ich noch viel länger lesen können, das ist für mich so interessant. Jeminee, was für eine lange Fluchtzeit. Gut, dass du so ein frohes Gemüt hast, das hilft dir jetzt.
    Ich wünsche dir noch viele freudvolle Jahre.
    Liebe Grüessli
    Eda

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    1. Liebe Eda,
      es gäbe noch viel zu berichten, aber man sollte sich auf das Wesentliche beschränken sonst verfällt man ins Schwärmen und gerät ins Faseln.
      Liebe Grüße
      Edith

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  2. Liebe Edith,
    die Geschichte deiner Kindheit hört sich an wie die Jahre meiner Mutter als junge Frau....Vertreibung aus dem Sudetenland, Vater aus Ostpreussen....aber was sich wie ein Faden durch meine Kindheit gezogen hat, sind deine Worte "ich hatte mich stets bemüht, DAZUZUGEHÖREN, gut in der Schule zu sein, möglichst NICHT aufzufallen und sich einbringen mit dem, was ich an Wissen und Erlebtem den anderen voraus hatte" Irgendwo hat diese Zeit sicher auch Spuren hinterlassen....aber es waren alles sehr starke Frauen, die meinen größten Respekt haben.
    LG. Karin M.

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    1. Liebe Karin,
      ich denke auch, es gibt viele solche ähnlichen Schicksale und es werden immer weniger die noch davon zu berichten wissn.Deshalb wollte ich wenigstens ein wenig dazu beitragen, dass diese Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät. Deine Mutter hat sicher wieder ganz andere Erfahrungen gemacht. Neulich sahen wir gerade über die Vertreibung der Sudentendeutschen einen erschütterden Bericht. Um nicht vergessene Geschichte zu werden, sollte man sich immer mal wieder daran erinnern.
      Liebe Grüße
      Edith

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  3. "Tja, und nun bin ich 80 Jahre und kann immer noch lachen hoffentlich noch recht lange"
    Was für ein wunderbares Geschnek mit dieser Fähigkeit zum positiven Denken ausgetattet worden zu sein. Wenn wir deinen so eindrücklichen Bericht lesen ist das wirklich nicht selbstverständlich.
    Wir dürfen ja immer wieder an deiner Naturliebe teilhaben und schätzen das sehr.
    Mit den besten Wünschen und herzlichen Grüssen
    Ayka mit Erika

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  4. Liebe Ayka und Erika,
    ich schätze meinen Optimismuss sehr als besonderes Geschenk, da stimme ich dir zu, es drückt mich nie ganz runter und als Christ sowieso nicht.In schwierigen Zeiten besteht immer eine Hoffnung, so jedenfalls habe ich es erlebt.
    Liebe Grüße
    Edith

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  5. Es freut mich ungemein und im wahrsten Sinne des Wortes, dass da jemanden gibt, der das Lachen nicht verlernt hat und gratuliere Dir zu Deinen 80 Jahren und drücke die Daumen, dass sich das auch in Zukunft nicht ändern wird. Ich hoffe sehr, dass Du noch lange fit genug bleibst wirst, um zu berichten was die Natur zu bieten hat - nicht ganz uneigennützig, denn auf diese Weise kann ich auch etwas lernen.
    Ich bin am überlegen, ob ich das 'Guckloch - in die Vergangenheit' wieder auferstehen lassen soll? So ein Beitrag wie dieser würde dort gut hineinpassen.
    LG Heidi

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